Republikanische Vorwahlen 2016: Butter bei die Fische

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  • South Carolina: Nachlese / Nevada: Ausblick / Et tu, Mitt?

    Wanli, 21.02.2016 13:44, Antwort auf #70
    #71

    Hm, kein guter Morgen für Trump-Skeptiker. Konnte man gestern noch spekulieren, dass wir hier im Süden ein ähnliches Phänomen erleben würden wie in Iowa - eine Umschwung in letzter Minute zu Trumps prominentesten Gegnern, gut organisiert und mit prominenter Unterstützung - dann ist diese Erwartung enttäuscht worden. Zwar schnitten Rubio und Cruz etwas stärker ab als im RCP-Schnitt, aber auch der Donald lag ganz leicht über dem Schnitt der letzten Umfragezahlen.

    http://www.realclearpolitics.com/epolls/2016/president/sc/south_carolina_republi can_presidential_primary-4151.html

    Trump hat ja nun alle Deligierten in SC mit eigentlich lächerlichen 32% gewonnen.

    Im Gegensatz zu Iowa und New Hampshire lohnt sich ein Sieg hier zum ersten Mal so richtig. Bislang sind sich alle Medien einig, dass Trump auf jeden Fall 44 der 50 Delegierten des Staates erhalten wird, in zwei Kongresswahlkreisen liegen er und Rubio so dicht beieinander, dass noch nicht ganz klar ist, wer hier die jeweils drei Delegierten gewinnt.

    Wie liest man nun die Ergebnisse? Ein guter Wahltag für den Donald, so viel ist sicher. Wie geht es weiter für ihn? Zwei Theorien:

    The first theory is simple. It can be summarized in one word: Trump! The more detailed version would argue the following:

    • Trump has easily won two of the first three states.
    • Trump is ahead in the polls in pretty much every remaining state.
    • Trump is ahead in delegates — in fact, he may win all 50 delegates from South Carolina.
    • Trump has been extremely resilient despite pundits constantly predicting his demise. He’s been at 35 percent in national polls for months now. That’s as steady as it gets!

    So, ummm, isn’t it obvious that Trump is going to be the Republican nominee?

    Not so, say the Trump skeptics. Their case is pretty simple also:

    • Trump is winning states, but he’s only getting about one-third of the vote.
    • Trump has a relatively low ceiling on his support.
    • Trump now has a chief rival: Florida Senator Marco Rubio.

    http://fivethirtyeight.com/features/trump-optimists-and-trump-skeptics-are-about -to-go-to-war/

    Der verlinkte Artikel wägt dann beide Sichtweisen noch genauer gegeneinander ab - sicher ist es kein Geheimnis, dass Schreiberling Nate Silver unterm Strich eher zu den Skeptikern gehört, allerdings in den letzten Monaten auch schon ordentlich Kreide gefressen hat: In dem verlinkten Artikel findet er die aktuellen Quoten der Buchmacher, die Trump eine Chance von 50% auf den Sieg einräumen, halbwegs realistsisch. Vor wenigen Wochen hätte er sich über solche Werte (ähnlich denen in unserem Markt) noch totgelacht...

    Im Gegensatz zu Trump hatte Bush selbstredend keinen guten Abend, obwohl der Mann insgeheim vielleicht auch ein wenig froh ist, den Wahnsinn hinter sich zu haben, den er jetzt in Ruhe im Fernsehen verfolgen kann.

    Kasich wird im Rennen bleiben, machte ja auch wenig Wahlkampf in South Carolina und war am gestrigen Abend noch nicht einmal vor Ort; er sieht seine Chancen ganz klar anderswo. Durchaus verständlich, aber ein schwaches Abschneiden in South Carolina (und vermutlich auch Nevada) wird ihn auch in für ihn günstigeren Staaten Stimmen kosten, Momentum und so.

    Ein weiterer Kandidat mit eher schlechtem Ergebnis ist natürlich Cruz, vermutlich sogar (sehr, sehr knapp) nur auf dem dritten Platz. Seine Äußerungen vor der Wahl hatten verdeutlicht, dass er sich hier - anders als in New Hampshire - die Latte recht hoch legt, viel Zeit und Geld investiert hat. Ich hatte ihm mehr zugetraut als die gut 22%, die er letztendlich geholt hat. Der zweite Staat in Folge, in dem mich das Wiesel enttäuscht hat.

    Bleibt noch Rubio. Um Haaresbreite vor Cruz auf dem zweiten Platz, weit vor Kasich und Bush, letzterer ist aus dem Rennen und wird einen Gutteil seiner Anhängerschaft dem Marco vererben - nicht übel, möchte man meinen.

    Trump beat Rubio and Ted Cruz by about 10 percentage points each in South Carolina. Bush and Kasich combined for about 15 percent of the vote. There’s no guarantee all of those go to Rubio, but it sure seems likely, all being things equal.

    Rubio also seems likely to receive many more endorsements in future contested states, as well as plenty of money to fuel his campaign (including Florida money previously pledged to Bush).

    Cruz appears to have less room for improvement than Rubio. Still, he’s one of three candidates who still has a chance to win the nomination, and if Rubio falters -- still quite possible -- Cruz will inherit the entire anti-Trump vote.

    http://www.bloombergview.com/articles/2016-02-21/races-shape-up-around-clinton-a nd-rubio

    Gewisse Zweifel sind aber durchaus noch angebracht, denn South Carolina hätte nicht nur für Ted ein gutes Pflaster sein sollen, sondern auch für einen Kandidaten wie Marco, der in den letzten Tagen ja die Creme des dortigen Establishments (Gouverneurin Haley, Senator Scott, den populärsten GOP-Kongressabgeordneten Gowdy) hinter sich versammeln konnte in einem Staat, dessen Wähler - überdurchschnittlich viele Soldaten und Veteranen - traditionell auf ihre Großkopferten hören. Im Vergleich zu Rubios Abschneiden in New Hampshire ist das gestrige Ergebnis natürlich prima, vor allem relativ zu den anderen Kandidaten (außer Trump). So grandios, wie es uns Rubio und seine Freunde weismachen wollen, ist es aber bei weitem nicht:

    Cruz has seen his constituency -- designed to appeal to “libertarian” and “Tea Party” -- voters narrowed to evangelical Christians only, and he has failed to gain a quarter of the vote in a heavily evangelical state. Rubio’s performance may be even worse.

    South Carolina has a nearly-ideal combination of characteristics he needs to surpass Donald Trump. It is a religious, Southern state, ill-suited for Trump’s secular appeal. It is a hawkish and pro-military, making it well-suited to Rubio’s belligerent neoconservatism, and the perfect place to reject Trump’s attacks on George W. Bush’s foreign policy record. And it is also traditionally a hierarchical state, where voters take their cues from party elites.

    That latter quality is what has made the state a traditional firewall for the establishment after Iowa and New Hampshire elevate insurgent candidates. And the state’s establishment lined up fully behind Rubio here. Its popular governor, Nikki Haley, its Senator, Tim Scott, and Rep. Trey Gowdy all endorsement Rubio. Yet the voters did not take the cues -- or, at least, failed to take them to the requisite degree. The theory that the party would prevail assumed that eventually it would unite behind a single non-Trump alternative. That finally happened. And yet.

    Rubio’s campaign had long predicted South Carolina would supply him with his first victory. Going forward, he can raise more money as he assimilates the husk of Jeb Bush’s bloated apparatus. Perhaps the relentless pounding of the Republican message machine, which is aligning on his behalf, can slowly prevail. But the terrain is not going to get much easier for him going forward. If Rubio can’t compete with Trump in South Carolina, he may not find anywhere more favorable.

    http://nymag.com/daily/intelligencer/2016/02/rubio-cant-beat-trump-here-then-whe re.html

    Angesichts der Affinität South Carolinas zum Militär und seinen Werten frage ich mich übrigens, warum hier niemand mal Trumps dubiose Freistellung vom Dienst während des Vietnamkrieges erwähnt hat. Sei's drum.

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    Wie bei den Demokraten ist die nächste Abstimmung in Nevada auch für die Gegenseite recht wichtig, allein schon deshalb, weil es die letzte vor dem Super Tuesday ist. Der Donald führt hier den Demoskopen zufolge sehr deutlich, wobei die spärlichen Zahlen in Nevada wohl mit sehr großer Vorsicht zu genießen sind. Nevada hält Caucuses ab, die Wahlbeteiligung dürfte im Vergleich zu New Hampshire und South Carolina gering sein. Dazu war Nevadas Wählerschaft 2012 konservativer als irgendwo sonst in den USA: 48% der republikanischen Vorwähler bezeichneten sich als "sehr konservativ".

    http://www.nationalreview.com/nevada-gop-caucus-polls-and-facts

    Der Staat sollte Rubio und insbesondere Cruz liegen, die beide ordentlich investiert haben im Gegensatz zu Trump.

    Eine Besonderheit ist natürlich, dass im Wüstenstaat viele Mormonen wohnen (weshalb Romney hier 2008 und 2012 auch klar gewonnen hat). Keine Ahnung, wie die einen dezidierten Evangelikalen wie Cruz sehen oder einen Rubio, der in seiner Kindheit einige Jahre lang Mormone war, jetzt aber Katholik ist:

    Florida Sen. Marco Rubio credits his short-lived time as a Mormon for providing a moral compass in his youth, though he also discloses for the first time his family's struggles with the constraints of the faith and his eventual return to the Catholic fold.

    In his new autobiography, An American Son, available Tuesday, the Florida Republican candidly discusses the three years he spent as a member of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints and lauds the Utah-based faith for helping his Cuban-immigrant mother and him when they moved from Miami to Las Vegas when he was a grade-schooler.

    "All in all, the Mormon church provided the sound moral structure my mother had wanted for us, and a circle of friends from stable, God-fearing families," Rubio writes in his book. "When we left the church a few years later, mostly at my instigation, we did so with gratitude for its considerable contribution to our happiness in those years."

    http://archive.sltrib.com/story.php?ref=/sltrib/news/54325018-78/rubio-church-fa mily-faith.html.csp

    Kurz zusammengefasst: Gewinnt Donald auch unter den für ihn eigentlich ungünstigeren Umständen rund um Vegas, dann sollte langsam auch ich meine Trump-Kappe ordern.

    http://www.amazon.com/America-Trump-2016-Unisex-adult-Adjustable/dp/B013Z7I7J0/r ef=cts_ap_1_fbt

    Der Donald kann sich auf jeden Fall entspannen, Ted braucht hier dagegen dringend einen Sieg, Marco hätte gern einen (seinen ersten), um seinen Status als erste Wahl der Trump-Gegner zu bestätigen.

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    EDIT: Wo wir schon bei Mormonen sind: Die Huffington Post will erfahren haben, dass Mitt Romney zeitnah eine Wahlempfehlung für Rubio abgeben will.

    In a major development in the Republican presidential race, 2012 GOP nominee Mitt Romney will endorse Sen. Marco Rubio (R-Fla.) for president, The Huffington Post has learned from two Republican sources.

    Details of Romney's endorsement were still being worked out as of Sunday morning. The sources said that the former Massachusetts governor had been eager to provide his backing to Rubio for days but had hesitated, due to his respect for former Florida Gov. Jeb Bush (R), who suspended his campaign on Saturday night following his dismal fourth-place showing in the South Carolina primary.

    Romney spent the day in Utah on Saturday and could potentially be in position to bestow his blessing upon Rubio before Tuesday's Nevada Republican caucuses--a contest that Romney won easily in both 2008 and 2012.

    Romney’s backing will provide Rubio with the highest-profile endorsement of the 2016 race and is the clearest signal yet that the party’s establishment is ready to coalesce around the Florida senator as its last best chance to defeat GOP front-runner Donald Trump.

    http://www.huffingtonpost.com/entry/mitt-romney-endorse-marco-rubio_us_56c91e0ae 4b0928f5a6c3136?63sxajor=

    Trump wird solche Gunstbeweise für Marco natürlich sehr genau zur Kenntnis nehmen; wir dürfen uns schon auf seine Reaktion freuen:

    Trump hasn't seriously attacked Rubio yet.

    When Ben Carson looked like a threat to Trump, Trump took him down. When Jeb Bush looked like a threat to Trump, Trump took him down. And when Ted Cruz looked like a threat to Trump, Trump took him down.

    Yes, it's true that Jeb Bush's Super PAC has already spent millions trying to attack Rubio, to little apparent avail. But Trump will be far more unscrupulous once he sets his sights on Rubio. He will be willing to play to GOP base voters' worst ethnic and racial fears. He will bring up Rubio's brother-in-law, who was convicted for cocaine trafficking. He will publicly spread the rumors about Rubio that Bush's team just whispered about privately. And, of course, there's that matter of immigration reform, which Bush couldn't attack Rubio on.

    Point is, things will get very, very ugly. We don't yet know whether Rubio can beat Trump in a knife fight. But, to win the nomination, that's what he's going to have to pull off.

    http://www.vox.com/2016/2/20/11081032/south-carolina-results-donald-trump-marco- rubio

    • RE: South Carolina: Nachlese / Nevada: Ausblick / Et tu, Mitt?

      drui (MdPB), 21.02.2016 18:54, Antwort auf #71
      #72

      If Rubio can’t compete with Trump in South Carolina, he may not find anywhere more favorable.

      Das sehe ich anders, sehr religiöse Staaten wie Iowa und SC favorisieren eindeutig Cruz und Trump, Trump gibt sich nicht sekular, er verbindet nur seine "Religiosität" mit Islamhass und klaren Feindbildern. Er hat in SC auch bei den Evangelikalen gegen Cruz gewonnen:

      The other big loser—nearly as big a loser as Bush—was Sen. Ted Cruz (R-TX). Like Bush, he gambled heavily on South Carolina, referring to it as his "firewall." And while a third place finish is very bad news, the worse news is that the Texas Senator didn't even win the evangelical vote, being outpaced by Trump 33% to 27% according to CNN's exit polling.

      http://www.electoral-vote.com

      Rubio ist bei vielen Wählern 2. oder 3. Wahl, ein Kompromisskandidat, auf den sich die meisten einigen könnten, va. das konservative Establishment, aber auch Religiöse und Moderate. Ich denke mal, dass er va. von den Letzteren profitieren wird, wenn Kasich irggendwann mal raus ist.

      Nevada wird der erste Test, was passiert wenn sich das Feld lichtet. Kasich und Carson werden zwar weiter für Trump arbeiten, aber ich denke mal jeweils unter 5% bleiben. Der Supertuesday wird dann vielleicht schon entscheidend sein, wenn Trump Texas gewinnt (und damit 155 Deligierte), friert die Hölle ein.

      Edit: Es wird spekuliert, dass Carson aus der nächsten GOP-Debatte ausgeschlossen wird, wegen dem letzten Platz in SC und eher unernsten Gewinnabsichten (was die Präsidentschaft angeht, nicht die Buchverkäufe). Das wäre ein kleiner Vorteil für Cruz.

    • RE: South Carolina: Nachlese / Nevada: Ausblick / Et tu, Mitt?

      Wanli, 21.02.2016 19:35, Antwort auf #72
      #73

      Das sehe ich anders, sehr religiöse Staaten wie Iowa und SC favorisieren eindeutig Cruz und Trump, Trump gibt sich nicht sekular, er verbindet nur seine "Religiosität" mit Islamhass und klaren Feindbildern.

      Vielleicht ticken die Evangelikalen in South Carolina auch einfach anders als die in Iowa beispielsweise. Man kann doch wirklich nicht behaupten, dass Trump als besonders gläubiger Kandidat auftrete - der Mann, der beim Gottesdienst Geld auf den Hostienteller legt, weil er glaubt, jetzt werde die Kollekte eingesammelt, und der über die Bibel sagt, das Buch sei "sogar" besser als sein Bestseller "The Art of the Deal". Also ehrlich - es ist wohl jedem evangelikalen Wähler klar, dass Trump kein Musterchrist ist. Erstaunlich ist nur, dass das viele nicht zu stören scheint; Du hast ja schon geschrieben, dass Donald mehr evangelikale Wähler angezogen hat als jeder andere Kandidat.

      Man schaue nur mal auf die Ergebnisse von vier Jahren: Gingrich (der im Habitus einiges mit Trump gemeinsam hat und auch nicht gerade sehr fromm daherkam) kam auf 40%, Romney (als Mormone auch nicht so ganz passend) auf 28%, Santorum als Fundichrist kam nur auf 17%.

      https://en.wikipedia.org/wiki/United_States_presidential_election_in_South_Carol ina,_2012#Results

      Vielleicht sind South Carolinas Evangelikale einfach nicht so fromm, wie es beispielsweise die Cruzleute annahmen. Für viele scheint Klasse und nicht Glaube das entscheidende Kriterium zu sein:

      Critically, Trump’s success with blue-collar voters crossed the religious boundary. In South Carolina, according to figures provided by CNN’s polling director, Jennifer Agiesta, Trump carried a stunning 44 percent of evangelical voters without a college degree, as much as the combined vote for Cruz (29 percent) and Rubio (15 percent). Among blue-collar voters who were not evangelicals, Trump (at 38 percent) also buried Cruz (16 percent) and Rubio (13 percent), with Ohio Governor John Kasich actually leading both (at 17 percent).

      http://www.theatlantic.com/politics/archive/2016/02/the-new-shape-of-the-republi can-race/470256/

      Weiße Arbeiter ohne weiterführenden Bildungsabschluss sind das Rückgrat von Trumps Wählerschaft, wenngleich er auch in anderen Schichten nicht schlecht abschneidet. Und anders als von Cruz angenommen entscheiden sich evangelikale Arbeiter eher für den Arbeitertribun Trump als für den Propheten Cruz, zumindest in New Hampshire und South Carolina.

      Der Supertuesday wird dann vielleicht schon entscheidend sein, wenn Trump Texas gewinnt (und damit 155 Deligierte), friert die Hölle ein.

      Sehr wichtig, aber in den Super-Tuesday-Staaten wird es schwer, alle Delegierten abzuräumen wie in South Carolina; sie werden fast überall aufgeteilt werden.

    • Rätsel Ted Cruz: zum Zustand der GOP

      Wanli, 21.02.2016 21:23, Antwort auf #73
      #74

      Habe die sonntägliche Muße ein wenig genutzt, um über Ted Cruz' eher durchwachsenes Abschneiden nachzudenken und darüber, was uns dieses über den Zustand der Parteibasis verrät.

      Seit Jahren verfolgt Cruz ja ein klares Ziel: Er möchte verschiedene Flügel der Parteibasis hinter sich vereinen. Einerseits die christlichen Konservativen, die traditionell einen nicht unwesentlichen Teil derselben ausmachen. Wie die Kandidaturen von Huckabee (2008) und Santorum (2012) verdeutlicht haben, ist mit diesem Flügel allein aber kein Staat zu machen.

      Also hat Cruz akribisch und ausdauernd versucht, neue Wählergruppen zu erschließen. Zum einen gab es da die klassischen Tea Partys, ein Aufstand der Basis gegen die Korruption Washingtons. Als Gegenmittel verschrieben sich diese Gruppierungen einer radikalisierten Form der angestammten konservativen Ideologie - der verderbliche Einfluss des Staates (Obamacare!) sollte dramatisch zurückgedrängt werden. Zwar legten Berichte über Tea-Party-Demos (einen besonders lesenswerten aus dem Rolling Stone habe ich vor Jahren mal verlinkt) nahe, dass die Basis diese Positionen nicht immer so ganz in allen ihren Konsequenzen durchdacht hatte ("Get you government hands off my Medicare!"), aber die Tea Partys machten unter dem Schlachtruf "Don't tread on me!" durchaus Furore und katapultierten zahlreiche Außenseiter (Cruz, Rubio, den Freedom Caucus) in den Kongress, während ihre eifernden Fundis anderswo Niederlagen einstecken mussten (Christine O'Donnell, Sharon Angle), nachdem sie in den Vorwahlen triumphiert hatten. Cruz richtete seine ganze Tätigkeit im Senat darauf aus, das Vertrauen dieser Radikalinskies zu erwerben, diverse Denker und Lenker der Bewegung wie etwa Glenn Beck unterstützen ihn offen.

      Eine dritte Gruppe, die Cruz umgarnte, waren Libertäre, die einst in großer Zahl für Ron Paul gestimmt hatten. Ihre Positionen decken sich zum Teil mit der Tea-Party-Bewegung, stärker akzentuiert wird aber eine zurückhaltendere Außenpolitik und große Skepsis gegenüber dem Ausbau des Überwachungsstaates. Auch diese Leute versuchte Cruz auf sich aufmerksam zu machen, auch hier schlugen sich ehemalige Anhänger Ron Pauls offen auf seine Seite.

      Ein cleverer Ansatz, so schien es mir (und Cruz selbst vermutlich auch), vor allem da er gekoppelt war an große Erfolge beim Eintreiben von Spenden - eine Schwäche von Huckabee und Co. war ja gewesen, dass sie einfach kaum Geld für einen erfolgreichen Wahlkampf hatten.

      Bislang allerdings trägt der sorgfältig ausbaldowerte Ansatz nicht recht Früchte; Cruz hat zwar diverse Gallionsfiguren von Tea Partys und libertärer Bewegung auf seine Seite gebracht, aber das Fußvolk scheint nicht so recht zu folgen. Wie ist das zu erklären?

      Mir scheint, dass der ganze ideologische Überbau der Tea Partys einfach nur Augenwischerei war, ein Mittel der Basis, um das verhasste Parteiestablishment in Washington zu piesacken, indem man immer radikalere Maßstäbe an die dortigen Politiker anlegte. Sobald Trump auftrat, warf ein Großteil der Bewegung alle diese Prämissen über Bord und sich dem Volkstribun an den Hals, obwohl dieser ein ziemlicher Etatist ist, der sich erst letzte Woche die Grundprämisse hinter Obamacare (!) - der Staat solle sicherstellen, dass jeder krankenversichert sein kann - ausdrücklich zu eigen gemacht hatte. Die konservativen Denker laufen Sturm gegen die "Dummheit" der Basis, die nicht erkenne, wie wenig konservativ Trump eigentlich sei. Diese Schreiberlinge bei der National Review oder dem Weekly Standard liegen falsch - das einzige, was das Gros der Tea Partys wohl interessiert hat, war, den Spitzen der Partei den ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen - ob nun mittels perfider ideologischer Lackmustests wie in den letzten Jahren oder durch die Unterstützung eines Enfant Terribles wie Trump. Wenn sie jetzt den Etatisten Trump umarmen, dann werden sie sich keineswegs untreu, denn die Attitüde zählt, nicht irgendwelche Prinzipien. Cruz hat das nicht gesehen, vielen konservativen Journalisten scheint es auch nur langsam zu dämmern.

      Interessant natürlich auch die Libertären. Ein Gutteil mag einfach Protestwähler gewesen sein, viele scheinen sich aber auch komplett aus dem Vorwahlprozess und dem politischen Diskurs insgesamt ausgeklinkt zu haben - weder Rand Paul noch Cruz ist es bislang jedenfalls gelungen, sonderlich viele Libertäre zu mobilisieren. Noch vor anderthalb Jahren galt die libertäre Bewegung als so interessant, dass Rand Paul auf dem Cover von Time Magazine landete als "The most interesting man in American politics".

      http://i.imgur.com/qiBC4xX.jpg

      Heute ist von der ganzen Bewegung kaum noch etwas zu sehen, Rand hat seine Kandidatur längst begraben und weder Ted noch irgendein anderer Politiker in einer der großen Parteien scheint den Mantel Ron Pauls geerbt zu haben.

      Schon faszinierend - es kursiert ein allgemein akzeptiertes Modell der republikanischen Parteibasis, welches sich urplötzlich als Fehlinterpretation erweist - und sorgfältig ausgeklügelte Wahlkampagnen laufen ins Leere. Bislang zumindest - wer weiß, vielleicht schweißt Ted seine Traumkoalition ja doch noch zusammen. Momentan sieht es aber nicht danach aus.

    • RE: Rätsel Ted Cruz: zum Zustand der GOP

      saladin, 22.02.2016 18:29, Antwort auf #74
      #75
      Vielleicht ist ted Cruz einfach vielen auch nur unsympathisch und zu machtgeil.
    • RE: Rätsel Ted Cruz: zum Zustand der GOP

      Wanli, 22.02.2016 19:53, Antwort auf #75
      #76
      Vielleicht ist ted Cruz einfach vielen auch nur unsympathisch und zu machtgeil.

      Vermutlich; dass ihn sowohl Trump als auch Rubio und Carson fragwürdiger Methoden und der Lüge bezichtigten, wird auch nicht gerade geholfen haben. Seine Beliebtheitswerte in der Partei sind etwas abgesackt.

      Es gibt keine Atempause, Geschichte wird gemacht: Morgen in Nevada.

      https://www.youtube.com/watch?v=snWg7eeoo3M

      Trump, Cruz und Rubio werden die ersten drei Plätze unter sich ausmachen; Trump kommt mit Rückenwind aus South Carolina, Rubio wird entgegen einer anderslautenden gestrigen Meldung nicht von Mitt Romney unterstützt, dafür hat sich aber der GOP-Senator Nevadas (auch ein Mormone) auf seine Seite geschlagen. Kann sicher nicht schaden. Weiß der Himmel, wie das ausgeht.

      Hier ein kleiner Überblick über die Summen, die die Kandidaten (nicht ihre Super PACs) im Januar eingetrieben haben, sowie ihren Kontostand am Ende des letzten Monats und die Burn Rate im Januar:

      Raised in January

      • Sanders: $21.3 million
      • Clinton: $14.9 million
      • Cruz: $7.6 million
      • Trump: $6.1 million
      • Rubio: $4.9 million
      • Carson: $3.8 million
      • Bush: $1.6 million - OUT OF RACE
      • O'Malley: $1.2 million - OUT OF RACE
      • Kasich: $1 million
      • Christie: $837K - OUT OF RACE
      • Fiorina: $499K - OUT OF RACE
      • Huckabee: $166K - OUT OF RACE
      • Santorum: $123K - OUT OF RACE

      Cash on hand (through Jan. 31)

      • Clinton: $32.9 million
      • Sanders: $14.7 million
      • Cruz: $13.6 million
      • Rubio: $5 million
      • Carson: $4.1 million
      • Fiorina: $3.3 million
      • Bush: $2.9 million
      • Trump: $1.5 million
      • Kasich: $1.5 million
      • Christie: $742K
      • O'Malley: $176K
      • Huckabee: $39K
      • Santorum: $29K

      January burn rates for candidates still in race

      • Rubio: 208%
      • Kasich: 199%
      • Trump: 188%
      • Cruz: 167%
      • Sanders: 164%
      • Carson: 163%
      • Clinton: 134%

      http://www.nbcnews.com/meet-the-press/first-read-it-s-three-man-republican-race- n523391

      Und dann noch ein zusammengeschnittenes Games of Thrones Video, "Winter is Trumping", in das man den Donald hineinmontiert hat - ziemlich überzeugend übrigens. Ich hab die Serie nicht gesehen, musste aber trotzdem kichern; wirklich nicht schlecht, wenn es mit der Präsidentschaft nicht klappt, könnte das eine Alternative sein.

      https://www.youtube.com/watch?v=I0tE6T-ecmg

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      EDIT:

      Ausgerechnet Newt Gingrich! Der Mann, der als Kandidat einige Ähnlichkeit zum heutigen Donald aufwies, sprach mit "Fox & Friends", einer eher seichten Polit-Show des Lieblingskanals aller Republikaner. Die Moderatoren fragten ihn, wie er sich denn Trumps Erfolg erkläre. Newt sprach wahre Worte:

      "Look, that's because of you guys," Gingrich said. "Donald Trump gets up in the morning, tweets to the entire planet at no cost, picks up the phone, calls you, has a great conversation for about eight minutes, which would have cost him a ton in commercial money, and meanwhile his opponents are all out there trying to raise the money to run an ad. Nobody believes the ad." [...] "Look, you could say that Trump is the candidate 'Fox & Friends' invented. He was on your show I think more than any other show," he said. "It was always a happy, positive conversation."

      http://talkingpointsmemo.com/livewire/gingrich-fox-and-friends-invented-trump

      • GOP: Parteieliten haben ihre Wahl getroffen

        Wanli, 22.02.2016 23:55, Antwort auf #76
        #77

        In der letzten Woche haben drei Gouverneure und fünf Senatoren der GOP ihre Unterstützung für Rubio verkündet, dazu diverse Kongressabgeordnete; die meisten Bruderküsse gab es gestern und heute. Nach Monaten, in denen die VIPs der Partei sich bedeckt hielten, kommt jetzt also Bewegung in die republikanische Prominenz. Nach der Zählweise der 538-Gurus hat Rubio in der letzten Woche seine Unterstützung durch Parteiprominenz mal eben verdoppelt.

        http://projects.fivethirtyeight.com/2016-endorsement-primary/#endorsements

        Ob's was bringt im Jahr der Außenseiter? Wir werden sehen; ich glaube schon. Wenn der Donald schlau ist, nimmt er sich in der nächsten Debatte Rubio ähnlich vor, wie es Christie getan hat.

        Nicht erfasst sind in dieser Übersicht andere Akteure außer Gouverneuren, Senatoren und Kongressabgeordneten. Cruz hat da auf der Ebene der Einzelstaaten einige Unterstützung, auch unter den Talkradiomoderatoren (Limbaugh, Levin), von denen einige aber auch mit Trump flirten; Donald kann sich auch auf die bei Konservativen beliebten Seiten Breitbart und Drudge Report verlassen.

        http://www.breitbart.com/ - http://www.drudgereport.com/

        Unter den institutionalisierten Stimmen in Gouverneursamtssitzen und im Kongress findet Cruz aber wenig und Trump gar keine Unterstützung.

      • RE: Rätsel Ted Cruz: zum Zustand der GOP

        drui (MdPB), 23.02.2016 15:44, Antwort auf #75
        #78

        Vielleicht ist ted Cruz einfach vielen auch nur unsympathisch und zu machtgeil.

        Völlig richtig. Er ist zudem in jeder Hinsicht intrigant und moralisch verdorben, das wissen alle, die mit ihm zu tun hatten, und das lässt sich auf Dauer auch vor dem Wahlvolk nicht verstecken. Die immer neuen schmutzigen Tricks seines Wahlkampfteams hinterlassen inzwischen so viel verbrannte Erde, dass viele Republikaner lieber Hillary wählen würden als Ted. So verbissen akribisch und unermüdlich Cruz für seine Ziele arbeitet und kämpft, so dumm, kurzfristig und autistisch geht er mit Menschen um, die er braucht.

        http://www.electoral-vote.com/evp2016/Pres/Maps/Feb23.html#item-5

        Im Prinzip tickt die GOP-Basis ähnlich, sie hat keinen moralischen Kompaß mehr, außer der Empörung gegen die angebliche Verschwörung, sie klammert sich an die Religion, ohne die Werte zu vetreten oder gar zu begründen oder hinterfragen. Die ständigen destruktiven Blockaden des Kongresses haben einerseits die Spaltung der Gesellschaft immer mehr vergrößert, andererseits das Ansehen quasi aller bekannten republikanischen Politiker auch innerhalb der GOP zerstört, nur der Haß auf andere hält sie (noch) zusammen. Vielleicht wird es in Nevada aber anders, dort sorgen 4% Mormonen für 25% der rep. Wähler, und Mormonen scheinen Trumps Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eher skeptisch gegenüberzustehen.

        Wenn Trump nicht spätestens am Super-Tuesday Niederlagen einsteckt, kann sich die GOP eigentlich gleich auflösen. Soll sie einen Präsidentschaftskandidaten untersrützen, der quasi alle Programmpunkte der Partei ablehnt? Und der höchstwahrscheinlich alle 50 Staaten gegen die Demokraten verlieren würde? Wenn sie da auf "Augen zu und durch" macht, kann sie anschließend programmatisch niemand mehr ernst nehmen.

      • RE: Rätsel Ted Cruz: zum Zustand der GOP

        Wanli, 23.02.2016 21:38, Antwort auf #78
        #79
        Die immer neuen schmutzigen Tricks seines Wahlkampfteams hinterlassen inzwischen so viel verbrannte Erde, dass viele Republikaner lieber Hillary wählen würden als Ted.

        Wow, wow, mal langsam. Wenn ich mir den Link anschaue, dann sind da einige Beispiele aufgeführt, in denen Teds Leute wirklich versucht haben, Wähler hinters Licht zu führen. Dass ihm das so nachhängt, liegt aber nicht an der Schwere seiner Vergehen - da ist auch im Ansatz nichts dabei, was George W. Bushs Unterstellung aus dem Jahr 2000 auch nur nahekommt, Kontrahent John McCain habe eine außereheliche Affäre mit einer Schwarzen gehabt und dabei ein uneheliches Kind gezeugt. DAS war mal eine üble Nummer (auch wegen der teilweise rassistisch motivierten Empörung der Basis natürlich, die dadurch heraudbeschworen wurde). Was Ted da gemacht hat, war vergleichsweise harmlos und zeigt vor allem, dass er keine so gute Lobby hat wie der einstige Parteidarling Bush: Ihm werden viel geringere Vergehen halt gnadenlos vorgeworfen, was natürlich auch daran leigt, dass Trump, Rubio und Co. sich stillschweigend darauf geeinigt zu haben scheinen, Cruz das Etikett "schmieriger Lügner" zu verpassen. Ein Triumph ihrer PR.

        Andere der von ElectoralVote aufgeführten Beispiele fallen mMn gar nicht in die Kategorie Wählertäuschung. Wenn Cruz-Robocalls hervorheben, dass Trump die Entfernung der Konföderiertenfahne vom Capitol South Carolinas begrüßt habe, dann stimmt das, so weit ich weiß. Selbstredend bin ich in der Sache in diesem Fall ganz beim Donald, aber Cruz lügt hier nicht. Aber die Wahrheit interessiert uns möglicherweise weniger als die Auswirkungen auf die Wählerschaft, und da ist es selbstredend kein Vorteil, mit dem Label "Lügner" bedacht zu werden.

        Aber machen wir uns nichts vor - in der General Election werden die allermeisten Republikaner den Kandidaten ihrer Partei wählen, bei den Demokraten sieht es ähnlich aus. Ich errinere mich lebhaft an lange Diskussionen mit Carokann im Jahr 2008, der der Meinung war, Hillarys Leute würden nach einem vor allem in der zweiten Hälfte ziemlich bitteren Wahlkampf gegen Obama eher zuhause bleiben, als den Senator aus Illinois zu unterstützen. Pustekuchen. Der Kandidat wird im November einen Unterschied machen, vielleicht auch den entscheidenden zwischen Sieg und Niederlage, aber SO dramatisch wird der Effekt nun auch wieder nicht sein - Cruz oder Trump mögen ein paar wenige (möglicherweise entscheidende) Punkte hinter einem Kasich ins Ziel kommen, aber ein Unterschied wie Tag und Nacht wäre nicht zu erwarten, dazu sind die beiden politischen Lager in den Staaten einfach zu fest zementiert.

        So, und jetzt bin ich gespannt auf die Ergebnisse. Wieder ein lockerer Trump-Triumph?

      • RE: Rätsel Ted Cruz: zum Zustand der GOP

        saladin, 23.02.2016 23:20, Antwort auf #78
        #80
        Trump gegen Clinton ist imho keine gegessene Sache für h.c.
      Beiträge 71 - 80 von 207

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