Es wäre gut, wenn jede Transaktion mit Spesen belastet würde. Dann würde das schnell realistischer werden.
Ausserdem ist eine Verwarnung für sich allein ziemlich nutzlos. Bei einer Doppelanmeldung wäre es doch problemlos möglich, zumindest die Folgeanmeldungen zu disablen.
Gerade die Grünen, die so gern mit dem Zeigefinger fuchteln, bräuchten das.
> Zitat daraus:
> "... Tobins Hypothese von der stabilisierenden Wirkung hoeherer
> Transactionskosten ..."
Jepp. An sich bezieht sich die Tobin-Steuer mehr auf Devisengeschäfte und weniger auf Aktiengeschäfte. Bevor wir hier Steuern & Gebühren einführen, wäre aber die interessante Diskussion:
- wie wirkt sich eine Transaktionsgebühr auf das Spiel aus?
- ...und somit auf den wichtigsten Punkt: den Spielspass.
Bis auf den Effekt das alle ein bischen weniger Kohle haben, glaube ich ist die Wirkung = 0. Anders wäre es, wenn eigenes Geld im Spiel ist.
In Deutschland gehts, wenn man ein dortiges Konto zur Spenseüberweisung benutzt bwz. jemanden findet, der dir seins zur Verfügung stellt - dann kassiert der aber auch offiziell deine Gewinne!
Die Ergebnisse sind aber auch nicht viel anders als hier bei den freien Börsen!
Auch wenn man das Publikum filtert, also zB Studenten gleichen Alters und Bildungsgrades spielen läßt, wirds nicht genauer...
Unterm Strich kann man sagen - je mehr Leute spielen, desto eher kommt man hin, zumindest ist man nicht schlechter als die Umfragen - wir waren in den meisten Fällen sogar besser!
Man sollte einen "Schlußkurspreis" dazu einführen - wie weiß ich auch nicht, aber eine Anregung für einen möglichst realistischen Schlußkurs könnts geben - zB die Börse abschließen 12 Stunden vorher und dann außer Konkurreznz gewissermaßen die nächsten 6 Stunden einen Schlußkursmarkt veranstalten... auf der Ausgangsbasis der vorangehenden Abschlußkurse und das extra bewerten ...
Wie das genau funktionieren soll - keine Ahnung, aber vielleicht fällt ja wem was ein dazu..
> > Gerade die Grünen, die so gern mit dem Zeigefinger fuchteln, bräuchten
> das.
>
> Hellseherische Fähigkeiten?
Nein, lediglich Talent und Muße zur Beobachtungsgabe:
Es sind ja hauptsächlich die Grünen, die meinen, das böse Kapital würde nur auf den Bäumen der noch böseren Reichen wachsen, dafür aber ganz von selber und schuld am Darben der armen Dealer, Asylanten und Kulturunterwanderer wären nur die bösen Zäune zwischen den Bäumen und den armen Geknechteten. Vielleicht würdens so mal lernen, daß man für seine Kohle auch was tun muß und daß alles was kostet bzw. gekostet hat!
Dazu gibts eine gute Reportage -- daß es das Geld alleine nicht ausmacht, sondern die Qualität desjenigen, der bei durchaus gegebenen Chancen entweder etwas draus macht - oder eben nicht!
Mal sehen, wieviel ich davon hier reinbekomme:
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Das wahre Elend
http://www.stern.de/politik/deutschland/533666.html?nv=ct_cb
In Deutschland hat sich eine neue Unterschicht gebildet, die ohne Zukunft
ist. Jahrzehntelang wurde versucht, ihre Armut mit Geld zu bekämpfen. Doch
was die Benachteiligten wirklich brauchen, wird ihnen verwehrt. Reportage
aus der bildungsfreien Zone.
Es gibt keine Region in Westdeutschland, in der die Menschen ärmer sind als
im Ruhrgebiet. In keiner Stadt des Ruhrgebiets ist der Anteil an
Sozialhilfeempfängern höher als in Essen. In keinem Stadtteil Essens ist das
Haushaltseinkommen niedriger als in Katernberg. Und in keiner Straße
Katernbergs leben mehr Arme als im Meerkamp. Hier ist unten. Hier also gibt
es sie, die deutsche Armut.
Wie sieht sie aus? Die niedrigen Wohnblocks aus den 60er Jahren sind
gepflegt. Kein Müll, keine Graffiti, auf weitläufigen Rasenflächen stehen
Rutschen und Schaukeln im Herbstlaub. Ein Bataillon aus Schüsseln peilt
Satelliten an. Hinter den Gardinen flackert bläuliches Licht.
Studiogebräunte Mädchen klackern über die Betonwege. In ihren Armbeugen
baumeln Handtäschchen. Dicke Kerle wuchten sich aus breitbereiften BMWs,
Audi TTs und tiefergelegten Golfs. Der Hausmeister sammelt ein paar Kippen
auf. "Armut?" Sein Lachen stirbt in einem rauchigen Hustenanfall. "Ich kenne
wirklich jeden im Meerkamp. Aber Armut, nee, die gibt's hier nicht."
Früher arbeiteten die Männer aus dem Meerkamp auf Zollverein, der größten
Zeche Europas. 1986 wurde sie geschlossen und die meisten Katernberger
arbeitslos. Die Leute aus dem Meerkamp waren ungelernte Arbeiter, die von
den Kohle-förderbändern die Steine aussortierten oder andere einfache
Arbeiten erledigten. Diesen Rand der Gesellschaft gab es schon immer: die
Unterschicht. Damals hatte die Unterschicht noch Arbeit, in Katernberg, im
Ruhrgebiet, in ganz Deutschland. Doch die Jobs für Leute ohne Ausbildung
sind weg. Sie kommen nie zurück. In unserer heutigen Wirtschaft ist die
Unterschicht überflüssig.
Wie geht's, Deutschland?
Woran fehlt es, damit es unserem Land gut geht? Wo müssen Reformen her und
wie sollen sie aussehen? Die Onlineumfrage Perspektive-Deutschland will auch
in diesem Jahr wieder die Stimmung der Bürger erkunden, um die Politik damit
zu konfrontieren. Machen Sie mit, füllen Sie den Fragebogen aus.
In Deutschland gilt als arm, wer mit weniger als 60 Prozent des
Durchschnittseinkommens auskommen muss. Das trifft auf rund zehn Millionen
Menschen zu. Wie viel Geld haben die Armen? Eine vierköpfige Familie, die
von Sozialhilfe lebt, bekommt vom Staat inklusive Miete und allen Hilfen
rund 1550 Euro im Monat, bei fünf Personen sind es etwa 1840 Euro. Das ist
mehr, als Ungelernte netto verdienen können. Im Meerkamp, in
München-Hasenbergl, in Hamburg-Wilhelmsburg, in Köln-Chorweiler, in den
typischen deutschen Unterschichtsvierteln leben die Armen heute in
geräumigen Wohnungen mit Einbauküche, Mikrowelle, Waschmaschine,
Spülmaschine, Handy, meist mehreren Fernsehern und Videorecorder. Das zeigen
die Erhebungen des Statistischen Bundesamtes. Die heutige Unterschicht
leidet keine Not, wie sie in Romanen des 19. Jahrhunderts beschrieben wird.
Und dennoch lebt sie im Elend.
Das Elend ist keine Armut im Portemonnaie, sondern die Armut im Geiste. Der
Unterschicht fehlt es nicht an Geld, sondern an Bildung. In keinem
OECD-Land, das hat der Pisa-Test gerade zum zweiten Mal gezeigt, werden
Unterschichtskinder im Bildungssystem so skandalös benachteiligt wie in
Deutschland. Einmal unten, immer unten. In den vergangenen Jahrzehnten hat
die Unterschicht eigene Lebensformen entwickelt, mit eigenen
Verhaltensweisen, eigenen Werten und eigenen Vorbildern: die
Unterschichtskultur.
Das monatliche Einkommen ist nicht der richtige Maßstab, um die Situation
der Menschen zu beurteilen. Unter den rund zehn Millionen Armen, die derzeit
in Deutschland gezählt werden, sind auch etwa 800 000 junge Menschen in
Ausbildung und Studium. Sie haben wenig Geld. Aber jede Menge Chancen. In
einer Langzeitstudie hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung
(DIW) herausgefunden, dass die wirtschaftliche Kluft zwischen oben und unten
in den vergangenen Jahren kaum gewachsen ist. Und der neueste Armutsbericht
der Bundesregierung zeigt: Die Reichen werden reicher. Und die Armen? Sie
werden auch reicher. Dennoch ist Deutschland ein gespaltenes Land. Aber die
Spaltung verläuft nicht entlang der wirtschaftlichen Linien. Es ist eine
kulturelle Spaltung. Hier ist aus dem Graben zur Unterschicht eine tiefe,
breite Schlucht geworden.
"Sydney! Sydney, du sollst doch nicht so nah an den Fernseher ran." Elf Uhr
morgens im Meerkamp. Die zweieinhalbjährige Sydney liegt im Schlafanzug am
Fußende ihres Bettes, das Gesicht in Ärmchenweite vor der Mattscheibe.
Gebrüll und Explosionen wummern, die typischen Geräusche japanischer
Zeichentrickfilme. Unterschichtskinder, das haben Medienwissenschaftler
herausgefunden, schauen nicht nur erheblich mehr fern als Gleichaltrige aus
der Mittel- und Oberschicht. Sie bevorzugen billige Comics und Werbung. Die
"Sendung mit der Maus" überfordert sie oft. Noch nicht in der Schule und
schon abgehängt, selbst beim Glotzen.
Heike Benziane, Sydneys Mutter, ist 40 Jahre alt und hat noch zwei weitere
Kinder. Die älteste Tochter ist 23 und schon ausgezogen. Der 20-jährige Sohn
schläft im Nebenzimmer. "Ich hab ihm mehrmals gesagt, er soll sich eine
Lehrstelle suchen. Mehrmals", sagt sie, holt ein Duplo aus einer der
Schüsseln mit Süßigkeiten, wickelt es aus und schiebt es Sydney in den
bereits schokoladenverschmierten Mund. Ihren letzten Freund hat Heike
Benziane vor wenigen Wochen vor die Tür gesetzt, "weil er sich für nichts
interessiert hat, nicht mal für sein Kind". Frau Benziane und ihre beiden
Kinder leben von insgesamt etwa 1300 Euro Stütze im Monat. "Sich mal was
gönnen, zu McDonald's oder so, das geht nicht oft", sagt sie. Sydneys Vater
trägt nichts zum Unterhalt bei, denn er hat keinen Job. "Ist doch klar. Der
hat ja schon zwei Kinder mit anderen Frauen", sagt Heike Benziane. In ihren
Augen ist das eine schlüssige Erklärung für Arbeitslosigkeit. Hätte er
Arbeit, müsste er vom Lohn für seine Kinder Unterhalt zahlen. Für ihn selbst
bliebe nicht mehr als der Sozialhilfesatz. Kinder mit einer Ex-Frau zu
haben, empfinden viele Männer aus der Unterschicht daher als objektiven
Grund, nicht zu arbeiten. Im Meerkamp gehört diese Logik zum Alltagswissen.
"Die Kerle wissen ja, dass Vater Staat für uns sorgt", sagt Manuela Reimann,
die beste Freundin von Heike Benziane. Die 35-Jährige ist im Meerkamp
aufgewachsen und lebt noch immer hier. Genau wie ihre beiden Brüder und ihre
Eltern. "In dieser Umgebung kann man kein Kind großziehen", sagt sie. Sie
ist schwanger. Manuela Reimann zündet sich eine Marlboro an und sagt
entschuldigend: "Wegen dem Kind muss ich ja schon auf die Tabletten
verzichten."
An einem Freitagabend im August hat sie ihrem Freund berichtet, dass der
Schwangerschaftstest diesmal positiv war. Samstagmorgen war er weg. Sie
nimmt es ihm nicht übel. "Welcher Mann zieht denn hier noch seine Kinder mit
groß? Also, ich kenne keinen", sagt sie. Trennung und Scheidung sind das
größte Armutsrisiko in unserer Gesellschaft. Und Unterschichtsbeziehungen
haben eine besonders kurze Haltbarkeit. Manuela Reimann wird nie wieder
arbeiten, das ist heute schon sicher. "Schulden", sagt sie. Würde sie
arbeiten, müsste sie ihre Schulden zurückzahlen.
Reimanns Bruder Udo Hupa ist 44 Jahre alt und wohnt auf demselben Stockwerk
wie seine Eltern. Er ist klein und wiegt um die 130 Kilo. Im Sommer hat er
sich ein Piercing in die linke Augenbraue bohren lassen. Als junger Mann hat
Hupa Metzger gelernt. An seine letzte Arbeitsstelle kann er sich nicht mehr
erinnern. Arbeit ist in Katernberg einfach kein Thema. Hupa lebt von
Arbeitslosenhilfe und davon, DVDs zu brennen. "Was die Leute hier halt so
gucken." Pornos. Dafür hat er sich einen leistungsfähigen Computer
angeschafft. Obwohl Udo Hupa Diabetiker ist, stehen regelmäßig Süßigkeiten
auf dem Speiseplan. "Ich versuch' ja, es zu lassen", sagt er. "Aber ich muss
einfach laufend zum Büdchen und mir eine Ladung Weingummis reinziehen." Hupa
findet sich nicht zu dick. Jedenfalls nicht im Vergleich zu seinem Bruder.
Der ist 38 Jahre alt, wohnt noch bei den Eltern und ist "der fetteste
Mensch, den ich je gesehen habe. Viel fetter als Calmund. Der wiegt über 250
Kilo, ehrlich, und hat die Wohnung schon seit Jahren nicht mehr verlassen
können", berichtet Hupa.
"Die Unterschicht ist von allen chronischen Krankheiten überdurchschnittlich
stark betroffen", sagt Andreas Mielck vom Forschungszentrum für Umwelt und
Gesundheit in München. Das Krankheitsrisiko ist etwa doppelt so hoch, auch
bei der angeblichen Managerkrankheit Herzinfarkt. Sind Angehörige der
Unterschicht einmal erkrankt, verläuft ihr Heilungsprozess erheblich
schlechter. Früher waren mangelnde ärztliche Versorgung und krankmachende
Arbeitsbedingungen die Gründe dafür. Heute nicht mehr. Es gibt nur einen
Grund: falsches Verhalten.
Mielck hat die Beweise zusammengetragen: Ehemalige Hauptschüler rauchen fast
doppelt so oft wie ehemalige Gymnasiasten. Schon 12- bis 13-jährige
Hauptschüler trinken annähernd doppelt so viel Alkohol wie gleichaltrige
Gymnasiasten. Fast ein Drittel der Unterschichtsfrauen haben starkes
Übergewicht (32 Prozent), viermal so viel wie Oberschichtsfrauen (8
Prozent). Fast Food ist die Nahrung der Unterschicht. Und 25- bis 39-jährige
Angehörige der Unterschicht haben dreimal so oft Bewegungsmangel wie
Angehörige der Oberschicht. Mit Geld hat das alles nichts zu tun. Im
Gegenteil: Einen Monat rauchen ist teurer als der Monatsbeitrag in einem
exklusiven Fitness-Studio. Fast Food ist teurer als Selberkochen. Alkohol
ist teurer als selbst gepresster Obstsaft, die Presse mitgerechnet.
Ungesundes Verhalten ist insgesamt teurer als gesundes.
Armut macht also nicht krank. Der schlechte Gesundheitszustand der
Unterschicht ist keine Folge des Geldmangels, sondern des Mangels an
Disziplin. Disziplinlosigkeit ist eines der Merkmale der neuen
Unterschichtskultur. Es gibt noch mehr: Konsumforscher haben ermittelt, dass
die Unterschicht zu "demonstrativem Konsum" neigt, die angesagtesten
Klamotten, das neueste Handy, das Auto mit dem fettesten Auspuffrohr. Und
wenn das Geld ausgegeben ist, werden Schulden gemacht. Wofür? Vor allem für
Unterhaltungselektronik, sagen Verbraucherschützer. Die Unterschicht lebt im
Hier und Heute und kümmert sich nicht um die Zukunft. Weder um die eigene
noch um die der Gesellschaft. Die Unterschicht geht der Demokratie verloren.
Wahlforscher beobachten seit Jahren: Je geringer die Bildung, desto geringer
die Wahlbeteiligung. In Katernberg gingen in diesem Jahr nur 40 Prozent zu
den Kommunalwahlen und ganze 28,8 Prozent zu den Europawahlen.
Der Freizeitforscher Horst Opaschowski hat herausgefunden: In der Freizeit
ist die Unterschicht vor allem passiv. Und wer von Stütze lebt, hat viel
freie Zeit. Freunde treffen, im Internet surfen, etwas lernen, lesen? Alles
Fehlanzeige. Unterschichtler verbringen ihre Freizeit vor allem mit Glotzen.
Sie sind die Zuschauer des Lebens. Und sie glotzen vor allem mehr
Nachmittagsgeplapper, mehr Gewalt, mehr Trash. "Mediale Verwahrlosung",
nennt das Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen
Forschungsinstituts in Hannover. Du bist, was du glotzt.
Im Herbst hat Elke Zepig den ersten Buchladen in Essen-Katernberg eröffnet.
Davor gab es in einem Stadtteil, in dem fast 24 000 Menschen leben, keine
Bücher zu kaufen. Zepigs Buchladen ist eigentlich ein Schreibwarenladen mit
drei zusätzlichen Billy-Regalen, in denen lose ein paar Bücher stehen. "Die
Leute hier lesen einfach nicht", sagt Elke Zepig. An den Buchpreisen kann es
nicht liegen. Denn die Katernberger haben genug Geld zum Spielen. Allein in
der Hauptstraße gibt es auf eineinhalb Kilometern sieben Spielhöllen. Die
Geschäfte laufen gut.
Die Unterschicht verliert die Kontrolle, beim Geld, beim Essen, beim
Rauchen, in den Partnerschaften, bei der Erziehung, in der gesamten
Lebensführung. Nirgendwo wird der Disziplinverlust so deutlich wie beim
Sport. Über Generationen war Sport der große Freizeitspaß der Unterschicht.
Nach Schulschluss wurde in den Arbeitervierteln gekickt. Früher. Ob Jung
oder Alt: Für die Unterschicht findet Sport heute im Wesentlichen im
Fernsehen statt. "Hauptschulabsolventen treiben nur noch zu 21,5 Prozent
Sport, Gymnasialabsolventen jedoch zu 52,3 Prozent", sagt Opaschowski.
Je höher das sportliche Leistungsniveau, desto geringer der Anteil von
Angehörigen der Unterschicht. "In den Olympiamannschaften finden wir fast
nur noch Studenten oder Leute mit Abitur", sagt der Sportsoziologe Klaus
Cachay. "Sport bedeutet Selbstdisziplin, Zuverlässigkeit, Durchhaltevermögen
und Leistungsorientierung. All das sind Fähigkeiten, die der Unterschicht
mehr und mehr abhanden kommen." Doch wie kann heute jemand an unserem
Arbeitsmarkt bestehen, der nicht zuverlässig, nicht diszipliniert und nicht
leistungsorientiert ist?
"Los, gib ab, gib ab, gib aaaab!", brüllt ein Junge seinen Mitspieler an.
Dann geschieht ein kleines Wunder: Der Angebrüllte spielt den Ball
tatsächlich ab. Der Rest ist Formsache: Schuss. Tor.
Berthold Werth strahlt. So langsam lernen die Jungs, was Zusammenspielen
bedeutet. Werth ist ein Sozialarbeiter des Jugendhilfe-Netzwerks der
Arbeiterwohlfahrt in Katernberg. Im Auftrag des Jugendamtes betreut er
besonders problematische Familien. Weil er selbst Fußballer ist, hat er vor
drei Jahren begonnen, mit den 11- bis 15-jährigen Jungs aus diesen Familien
einmal die Woche in der Sporthalle zu kicken.
Joe bekommt den Ball zugespielt. Er hat freie Bahn. Jetzt müsste er
losstürmen und das Ding reinmachen. Geht aber nicht. Der 13-Jährige wiegt
über 100 Kilo. Sein Kopf ist knallrot, er japst. Drei schwere Schritte tapst
er Richtung Ball. Dann ist die Chance vertan. "Och Mensch", brüllt Lars, der
selbst kaum dünner ist als Joe. "Das gibt's doch nicht. Das war die Chance."
Alle schauen Joe an. Wird er wieder gegen die Wand treten, rumschreien,
weinen und schließlich nach Hause gehen, wie letzte Woche, und vorletzte?
Joe trainiert beim Fußball nicht nur seinen Körper. Er muss lernen, mit
Frustrationen, mit Niederlagen um- zu-gehen, ohne gleich auszurasten. Joe
schluckt. In seinen Augen sind Tränen. Aber er reißt sich zusammen.
"Das war heute einer der schönsten Momente in meinem Job", sagt Berthold
Werth später. Im ersten Jahr waren solche Momente selten, als er erkannte,
dass er den dicken Kindern vom Meerkamp solche Sachen wie Rückwärtslaufen
beibringen musste. Und er musste alle mit einem Bus zu Hause abholen. Sie
konnten keine Termine einhalten. "Ich war noch in keiner Familie, in der es
nicht das volle Sortiment der Unterhaltungselektronik gab: Fernseher, DVD,
Video, PC, Playstation, einfach alles. Aber ich war schon oft in Familien,
in denen es keine Uhr gibt", sagt Werth. Wer in der zweiten, dritten oder
vierten Generation Sozialhilfe bekommt, lebt in einer Welt ohne Zeit. Der
Fernseher strukturiert den Tag, und der läuft immer. "Und wir können schon
froh sein, wenn da Zeichentrickfilme laufen und keine Pornos", sagt Werth.
"Die Leute erziehen ihre Kinder hier oft nach der Kartoffelmethode: Die
wachsen von alleine."
Würde sich etwas ändern, wenn man jeder Familie im Meerkamp ein paar hundert
Euro mehr Sozialhilfe auszahlen würde? Die Zukunftsaussichten der Jungs in
Berthold Werths Fußballmannschaft blieben weiter jämmerlich. Sydneys Mutter
würde ihre Kinder häufiger zu McDonald's einladen. Der dicke Herr Hupa würde
sich mehr Weingummis vom Büdchen holen.
Seit Jahrzehnten versucht die deutsche Gesellschaft, die Armut mit Geld zu
be- siegen. Das hat nicht funktioniert. Paul Nolte, Professor für
Sozialgeschichte an der International University in Bremen, nennt dies
"fürsorgliche Vernachlässigung". Staat, Gesellschaft und auch die
Sozialwissenschaften haben versucht, sich von der Verantwortung für die
Unterschicht freizukaufen. Die wurde mit Geld ruhig gestellt. Opium fürs
gemeine Volk. Doch was die Unterschicht wirklich braucht, das wurde ihr
verwehrt.
Was braucht die Unterschicht? Womit kann ihr geholfen werden, wenn nicht mit
Geld? "Bildung", sagt Paul Nolte. "Bildung", sagt Berthold Werth. "Bildung",
sagt Klaus Peter Strohmeier, Soziologieprofessor an der Bochumer
Ruhr-Universität, einer der wenigen deutschen Sozialwissenschaftler, die
sich mit der Unterschicht beschäftigen. "Bildung", sagt der
Gesundheitsforscher Andreas Mielck. "Bildung", sagt der Sportsoziologe Klaus
Cachay. "Bildung", sagt Klaus Wermker, Stadtentwicklungsleiter in Essen.
"Bildung", sagt Karin Neuhaus vom Essener Institut für Stadteilbezogene
Soziale Arbeit, die sämtliche sozialen Projekte in Katernberg koordiniert.
"Bildung", sagt der Kriminologe Christian Pfeiffer. "Bildung", sagt Gisela
Wehner-Böhme,die Leiterin der Kindertagesstätte in Katernberg. "Bildung",
sagt Angelika Sass-Leich, Direktorin der Hebartschule, einer Grundschule in
Katernberg.
Bislang glaubten Politik, Sozialwissenschaften und Gesellschaft: Die
Lebensformen der Unterschicht und ihre Verhaltensweisen seien die Folge
ihrer Armut. Genau das Gegenteil ist richtig: Die Ar-mut ist eine Folge
ihrer Verhaltensweise, eine Folge der Unterschichtskultur. In Deutschland
sind nicht immer die Armen die Dummen, sondern die Dummen sind immer arm.
Wer nicht ein Mindestmaß an Selbstdisziplin gelernt hat, wer seinen Körper
nicht gesund hält, ist nicht arbeitsfähig. Wer keinen richtigen Beruf
gelernt hat, ist ohne Chance. Arbeitsplätze für Hilfsarbeiter verschwinden
immer mehr. Mangelhafte berufliche Qualifikation ist mit Abstand das größte
Risiko für Langzeitarbeitslosigkeit. Permanentes Lernen ist heute für jeden
Beruf überlebenswichtig. Der Kfz-Mechaniker, Traumjob der Jungs im Meerkamp,
ist heute EDV-Fachmann. Und Kindergärtnerinnen, Traumjob der Mädchen im
Meerkamp, müssen in anderen Ländern studiert haben. Die Unterschicht hat nur
zwei Alternativen: Bildung oder Sozialhilfe.
"Geld ist echt nicht mein Problem." Die Sozialhilfeempfängerin Anja Rausch
ist 29 Jahre alt, lebt im Meerkamp und hat drei Kinder von drei Vätern. Mit
17 bekam sie ihre älteste Tochter. Fabian, der Jüngste, ist sechs Monate
alt. Sein Erzeuger ist ein 24-jähriger Sonderschulabbrecher. "Ich will
nicht, dass Fabians Vater hier wohnt. Besuchen ist okay, aber ich will mich
nicht an ihn gewöhnen", sagt Anja Rausch. "Die Männer kommen und gehen doch
sowieso, aber die Kinder bleiben." Als sie mit Fabian schwanger war, hat
ihre Älteste, damals elf, sie beiseite genommen. "Sie wurde ganz streng und
hat gesagt: "Mama, du musst dich sterilisieren lassen." Ja, und genau das
mach ich jetzt. Ich krieg das mit den Männern einfach nicht in den Griff."
Anja Rausch ist eine bewundernswerte Mutter, eine der erfolgreichsten aus
dem ganzen Meerkamp, denn sie hat eine großartige Leistung vollbracht: Ihre
älteste Tochter geht aufs Gymnasium, außerhalb von Katernberg. "Und sie hat
gute Noten. Ich bin so stolz." Als ihre Tochter klein war, hat Rausch sich
jede Woche ein Kinderbuch in der Bücherei ausgeliehen und ihr vorgelesen.
Und ab und zu einen Erziehungsratgeber für sich selbst. "Ich hatte ja keine
Ahnung, wie das geht mit einem Kind. Und wen sollte ich denn fragen? Die
Leute hier?"
In Anja Rauschs Wohnung steht nur ein Fernseher, und der ist alt und klein.
Sie schläft auf der Wohnzimmercouch, obwohl das in der 83 Quadratmeter
großen Dreizimmerwohnung nicht nötig wäre. "Aber so haben die beiden Kleinen
ein Zimmer nur zum Spielen. Das ist wichtig. Hab ich gelesen." Anja Rausch
hat nicht genug Kraft, ihr gesamtes Leben unter Kontrolle zu halten.
Süßigkeiten, das Chaos in der Wohnung, das mit Geld und das mit den Männern,
"das schaff ich nicht alles auf einmal. Und darum konzentriere ich mich auf
eines: dass die Kinder was lernen. Sonst sitzen die in zwanzig Jahren noch
immer im Meerkamp. Wie ich."
>Doch was ist mit den Nachbarkindern, deren Eltern sich nicht aufopfern wie
>Anja Rausch, die nach der Kartoffelmethode erzogen werden? "Diese Kinder
>müssen im Kindergarten und in der Schule eben vieles lernen, was Mittel-
>und Oberschichtskinder zu Hause lernen", sagt der Bochumer Soziologe
>Strohmeier.
Die gute Nachricht ist: Bildung hilft tatsächlich. Im Kindergarten kann man
den Kindern aus benachteiligten Familien noch am wirksamsten helfen. Das
beweist eine neue Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer: 39 Prozent
aller Kinder in Deutschland gehen aufs Gymnasium, Ausländerkinder jedoch nur
zu neun Prozent. Und was ist mit den Ausländerkindern, die in einen
deutschen Ganztagskindergarten gehen? Auch von denen schaffen es 39 Prozent
aufs Gymnasium, genauso viele wie im Durchschnitt.
"Im Grunde genommen wissen wir alle das alles doch schon seit Jahren", sagt
Gisela Wehner-Böhme. Sie hat daraus Konsequenzen gezogen. Als die Stadt
Essen 1998 auf dem ehemaligen Zechengelände einen neuen Kindergarten
eröffnete und sie die Leitung übernahm, bestand sie darauf, dass es ein
Ganztagskindergarten wird. "Wir haben hier viele Einwandererkinder. In drei
Stunden am Tag lernen die kein Deutsch." Dann sind sie und ihre Kolleginnen
erst mal Klinkenputzen gegangen, von Tür zu Tür, um die Eltern von der
Notwendigkeit der Ganztagsbetreuung zu überzeugen. Nachdem sie die Kinder
hatten, holten sie sich auch die Eltern. Einmal in der Woche bringen
Pädagogen interessierten Eltern das kleine Einmaleins des Elternseins bei.
"Ernährung, Erziehung, Gesundheitsvorsorge, das volle Programm", sagt
Wehner-Böhme. "Elternarbeit ist fast genauso wichtig wie die Arbeit mit den
Kindern." Inzwischen werden im Kindergarten eine ganze Menge Eltern erzogen.
Wie lebensverändernd der Erfolg des Kindergartens ist, kann Angelika
Sass-Leich als Erste feststellen, denn sie ist die Direktorin der
Hebartschule, in die fast alle Kindergartenkinder von Frau Wehner-Böhme
eingeschult werden. "Früher mussten wir mit den meisten Kindern in den
ersten Schuljahren Kindergarten machen, ihnen beibringen, einen Stift oder
eine Schere zu halten und in einer Gruppe einigermaßen still zu sitzen",
sagt die Direktorin. Und heute? "Der Großteil der Kinder ist jetzt
unterrichtsfähig. Das ist eine fundamentale Veränderung." Seit zwei Jahren
ist auch ihre Grundschule ganztags geöffnet.
Die erste Katernberger Generation Kinder, die ganztags in Kindergarten und
Schule geprägt wurden, hat jetzt die Grundschule verlassen. Fünf von 35
Kindern kamen auf das Gymnasium. Das gab es noch nie in der Hebartschule.
Und der Anteil der Sonderschüler ging dramatisch zurück. "Darauf bin ich
schon stolz", sagt die Direktorin.
Das also ist die Lösung. Das wäre die Lösung, wenn aus den Erfahrungen
Konsequenzen gezogen würden. Werden aber nicht. Die Hebartschule und der
Katernberger Kindergarten sind keine echten Ganztagseinrichtungen. Das
Nachmittagsprogramm wird aus Projekten finanziert. Statt mit den Kindern zu
arbeiten, verbringen die Leiterinnen, Wehner-Böhme und Sass-Leich, unendlich
viel Zeit damit, Geld einzusammeln, die unterschiedlichsten Fördertöpfe
anzuzapfen und daraus eine Finanzierung zu basteln, so kompliziert wie der
Haushalt von Hans Eichel. EU, Bund, Land und Stadt, alle sind mit
unterschiedlichen Minibeträgen aus den unterschiedlichsten Programmen
beteiligt, die unterschiedliche Regeln und unterschiedliche Laufzeiten
haben. Die Existenz der Ganztagsarbeit ist ständig gefährdet.
Die heilsame Wirkung der Basis-Bildungsarbeit in Katernberg wird von allen
Verantwortlichen begrüßt. Der Erfolg ist nicht nur offensichtlich, sondern
wissenschaftlich nachgewiesen. Niemand zweifelt daran. Und dennoch wird er
nicht flächendeckend umgesetzt. Warum?
"Das, genau das macht mich auch depressiv", sagt Klaus Wermker, Leiter der
Stadtentwicklung in Essen. "Wir haben für jedes Problem ein Modellprojekt,
das uns genau zeigt, wie wir es lösen können. Wir wissen ganz genau, wie wir
der Unterschicht in Bezirken wie Katernberg helfen könnten." Aber? "Dazu
brauchen wir die Politik. Und dass wir das, was wir alle als richtig erkannt
haben, auch politisch umsetzen, daran glaube ich nicht mehr."
Wie die meisten Städte ist Essen eine geteilte Stadt. Im Norden, in
Katernberg, lebt die Unterschicht unter sich. Der Süden gehört den
Vorstandsvorsitzenden des Ruhrgebiets. Die Oberschichtskinder brauchen von
Schule und Kindergarten viel weniger Hilfe als die Kinder im Meerkamp. Das
müsste bedeuten: weniger Lehrer, weniger Kindergärtnerinnen, weniger
Planstellen im Süden, mehr davon im Norden. "Ungleiches ungleich behandeln",
nennt Wermker das. "Aber denen im Süden etwas wegzunehmen, das würde in
Deutschland kein Politiker keiner Partei überleben", sagt Wermker.
Sie werden es wagen müssen. Das Schicksal der Menschen im Meerkamp, der
Unterschicht in Deutschland insgesamt, ist keine Frage von Mitleid und
Barmherzigkeit. Es ist eine Überlebensfrage für die gesamte Gesellschaft.
Keine Volkswirtschaft kann es sich auf Dauer leisten, mehr als zehn Prozent
durchzufüttern. Die kulturelle Spaltung lässt sich nicht mit den Mitteln des
Sozialstaates überwinden, nicht mit Almosen, nicht mit Sozialhilfe, nicht
mit Geld. Die Unterschicht braucht echte Investitionen in ihre Zukunft,
Investitionen in die Köpfe der Menschen, nicht in den Bauch.
Bildungsausgaben zahlen sich bereits in wenigen Jahren aus - nachweislich.
Aus guten Schülern werden bald gute Steuerzahler. Ein besseres Investment
können Staaten nicht tätigen.
Außerdem: Die Mittel- und Oberschicht bekommt immer weniger Kinder.
Akademikerinnen bleiben bereits heute zu über 44 Prozent kinderlos. Tendenz
steigend. "Das Leben mit Kindern wird mehr und mehr zur Lebensform der
Unterschicht", sagt der Soziologe Strohmeier. Die Wiege Deutschlands steht
im Meerkamp.
"Es sind ja hauptsächlich die Grünen, die meinen, das böse Kapital würde nur auf den Bäumen der noch böseren Reichen wachsen, dafür aber ganz von selber und schuld am Darben der armen Dealer, Asylanten und Kulturunterwanderer wären nur die bösen Zäune zwischen den Bäumen und den armen Geknechteten. Vielleicht würdens so mal lernen, daß man für seine Kohle auch was tun muß und daß alles was kostet bzw. gekostet hat!"
Es geht nichts über kompakte Feindbilder. Das schöne an Feindbildern ist ja, dass sich die Schuld am eigenen Befinden problemlos auf andere abschieben lässt. Ist in der Rechten Version Marke "britta" so intelligent wie in der Linken... (http://de.wikipedia.org/wiki/Feindbild)
Sehr gut komprimierte "britta", das kann man in dieser Schönheit ansonsten kommentarlos stehen lassen :-D
Ein tatsächlich großes Problem wird im stern-Artikel angesprochen.
Bildung. Der Darstellung und Schlussfolgerung im Artikel kann ich mich größtenteils anschliessen.